05.07.2017

Wie werde ich Poetry Slammer?

Poetry Slam ist minimalistisch: Bühne, Mikro, Publikum. Innerhalb von ein paar Minuten kann jeder selbstverfasste Texte, Gedichte, Raps und Geschichten vortragen. Wer dem Publikum am besten gefällt, wird als Sieger gekürt. Wichtig dabei ist auch die Performance: Nur wer seinem Text die richtige verbale Form gibt, überzeugt. Der Trend aus den USA ist in vielen deutschen Städten längst angekommen. Sie möchten auch die Slam-Bühne rocken? Wir haben jemanden gefragt, der sich richtig gut auskennt: Christian Ritter slammt seit über 10 Jahren und gibt Tipps.

Ein Portrait des Poetry Slammers Christian Ritter. Er sitzt in einem Sessel aus Leder und hält ein Megaphone in der Hand. Im Hintergrund sind unscharf Fenster und dunkle Vorhänge zu erkennen.

Christian, kannst du dich noch an deinen ersten Slam-Text erinnern? Worum ging es?

An meinen ersten Text kann ich mich sogar noch sehr lebhaft erinnern: "Weiter oben". Eine Geschichte, die mehrere einzelne Geschichten umfasste und in einem Hochhaus spielte. Mittlerweile gibt es basierend auf diesem Text ein Bilderbuch und ein Kurzfilm. Es gibt ja viele Texte, die man nach einer Weile nicht mehr so dolle findet, aber dieser hier ist gut gealtert.

Wie kam er damals beim Publikum an?

Sehr gut. Ich kam ins Finale. Da ich aber keinen zweiten Text dabei hatte, schrieb ich in der Pause ein paar mehr oder weniger gelungene Limericks (fünfzeilige, scherzhafte Gedichte, Anm. d. Red.). Gewonnen habe ich dann trotzdem. Wer weiß, ob alles so weitergelaufen wäre, wenn das nicht passiert wäre? Ab diesem Auftritt war ich angefixt.

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, dich auf die Bühne zu stellen und fremden Menschen deine Texte vorzulesen?

Das kam dadurch, dass ich mir vorher einen Poetry Slam angesehen hatte und ihn ganz, ganz schrecklich fand. Zu viel Geschwurbel, zu viel Weltschmerz. Gar nicht mein Fall. Da habe ich zu ein paar Freunden gesagt, dass ich das sicherlich besser könnte. Bescheidenheit war noch nie meine herausragende Stärke. Daraus resultierte eine Wette, daraus meine erste Teilnahme (und ein Kasten Bier, der Wetteinsatz) und dadurch hat sich mein Leben ein bisschen geändert. Die Leidenschaft kam dann ehrlich gesagt erst später dazu.

Hattest du Lampenfieber?

Ja, sehr. Ich hatte zwar vermutet, dass der Text ganz gut ist, hatte aber nicht wirklich geprobt, ihn vorzulesen. Grund genug, Lampenfieber zu haben. Beim Auftritt an sich habe ich sehr, sehr geschwitzt und mich auch einige Male verhaspelt. Das Publikum war aber gutmütig.

Hast du heute auch noch Lampenfieber?

Nicht wirklich, das wäre ja auch ungesund, vor jedem Auftritt über die Maßen aufgeregt zu sein, wenn man fast jeden Tag vorliest. Bei ganz großen oder ganz besonderen Auftritten, da kann es schon noch vorkommen. Zuletzt diesen Januar, als ich in Reykjavik zum ersten Mal überhaupt mit einer Stand-Up-Comedy-Nummer auf der Bühne stand. Dann noch auf Englisch, vor Isländern, Australiern und Amerikanern. Das war so etwas wie mein zweites erstes Mal, und da hatte ich ganz schön Bammel. Hat aber wieder gut funktioniert. Wird trotzdem keine Zweitkarriere. Vermutlich.

Der Poetry Slammer Christian Ritter sitzt auf einer Bühne. Er sitzt im Schneider sitzt und lacht. Er sitzt seitlich zur Kamera.
Zum Glück ist das mit dem Lampenfieber für Christian Ritter vorbei. "Wäre ja auch ungesund". (Foto: Nicolas Löw)

Wie haben sich deine Texte seit deinen Slam-Anfängen verändert?

Ich konzentriere mich auf das, was ich am besten kann. Früher habe ich sehr viel herumexperimentiert mit Stilrichtungen und Genres. Nun sind 90% meiner Texte Geschichten aus der Ich-Perspektive mit hohem Dialog-Anteil. Beim Schreiben schwingt immer der Gedanke mit, dass der Text, wenn er gut ankommt, ja auch in einem meiner Bücher landen wird. Dadurch sind die Texte etwas stringenter und haben auch Bezüge untereinander. Dadurch, dass ich nicht mehr mit Lyrik und Dada experimentiere, habe ich nicht nur mir einen Gefallen getan.

Wie sieht dein Alltag heute aus?

Nun, das kommt ganz drauf an. Ich bin ja auch Veranstalter recht vieler Shows, nebenher organisiere ich auch Konzerte und Solo-Shows anderer Künstler. Das hat alles nichts mit Kreativität meinerseits zu tun und frisst die meiste Zeit. Was an den meisten Tagen gleich ist, ist, dass mein Tag nicht vor 11 Uhr beginnt. Vor 13 Uhr nehme ich keine Anrufe entgegen, das steht auch auf meinen Visitenkarten. Nachmittags — zuhause oder im Zug — Bürokram, Orga, Booking, Social Media, Rechnungen, ... Abends irgendwo vorlesen oder Privatleben. Geschrieben wird nachts. Alle meine Texte entstehen zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens. Die beste Zeit dafür, da stört niemand.

Die Interaktion mit dem Publikum ist typisch für den Poetry Slam. Kannst du dich an ganz besondere Situation erinnern?

Die Interaktion findet ja vermehrt vor dem eigentlichen Vortrag statt, wenn man eine halbe Minute darauf verwendet, sich beim Publikum einzuschleimen. Und durch die Bewertung aus dem Publikum heraus. So typisch ist Interaktion während der Vorträge also gar nicht mal, es sei denn, man sieht einen Zwischenapplaus als Interaktion an. Skurriler ist da eigentlich, was abseits der Bühne passiert. Bei meinem Slam in Würzburg kam mal eine ältere Dame an, die teilnehmen wollte. Sie strahlte mich an und sagte: "Ich wollte ja schon immer mal bei einem Poetry Slam mitmachen. Aber mein Mann hatte nie Lust, mitzukommen. Jetzt ist er gestorben. Und da bin ich!" Das hat meinen Humor ganz gut getroffen. 

Bitte gib uns Nachhilfe: Ich habe Lust, mich mal beim Poetry Slam auf die Bühne zu stellen. Wo finde ich Ideen?

Augen auf beim Eierkauf. Und sonst auch überall. Ideen muss man nicht suchen, nur einsammeln. Andere beobachten, Gesprächsfetzen aufschnappen, und dann sofort notieren. Alles, was mir irgendwie verwertbar erscheint, tippe ich mir sofort in mein Telefon. Irgendwann später wird dann was draus, oder nicht. Aber irgendeine potenzielle gute Idee nicht festzuhalten, ist viel schlimmer, als sie später zu verwerfen.

Wie schreibe ich einen ersten Text? Ist es besser, einfach mal draufloszuschreiben oder gibt es "Handwerkstipps"?

Es ist schon nicht verkehrt, zunächst ein Grundthema zu haben, bevor man drauf los schreibt. Nichts gegen einen soliden "stream of consciousness", aber an sich ist es wenig überraschend, dass assoziative Gedankengänge, die man einfach vor sich hinschreibt, nicht unbedingt die Massen begeistern. Wenn man Handwerkstipps möchte, kann man sich überteuerte Schreibratgeber kaufen und selbsternannte Experten damit unterstützen, dann schreibt man halt genauso beliebig wie die und folgt den Bauernweisheiten des Schreibens ("Nicht zu viele Adjektive", "show, don’t tell"). Den eigenen Stil findet man so nicht.

Bei mir steht am Anfang meist ein Satz oder Zitat, um den herum sich der Text aufbaut. Zum Beispiel: "Angela Merkel soll ja privat Humor haben", das hört man oft, war der erste Satz meines Texts "Vorurteile". Als sich zwei Mädchen vor meinen Augen stritten und eine die andere anschrie, "Ich hasse dich?", wobei sie das Fragezeichen hörbar mitsprach, war der Grundstein für meinen Text "Teenagermädchen" gelegt. Und so weiter.

Was macht für dich einen guten Text aus?

Überraschungen, Twists, Spannung, für mich neue Ansätze, ein Thema zu beleuchten. Kurz gefasst: Originalität. Bei manchen Texten weiß man halt schon nach zehn Sekunden: Aha, der/die hat sich zu viele Videos von Patrick Salmen oder Theresa Hahl angeschaut, das ist reine Stilkopie. Lieber ein paar Gedanken mehr beim Schreiben machen.

Worauf muss ich beim Vortragen achten?

Ganz einfach: Der Vortrag muss zum Text passen. Wenn man in gehobener Schriftsprache schreibt, sollte man auch artifiziell vorlesen. Wenn man ein Gedicht vorträgt, sollte man sich die Mühe machen, es auswendig zu lernen. Wenn man eine Kurzgeschichte schreibt, sollte man zumindest so tun, als würde man sie ablesen, auch wenn man sie auswendig kann. Performance-Elemente (der überraschende Schrei) müssen auch inhaltlich Sinn ergeben und nicht nur als Aufwach-Effekt dienen.

Und für richtige Neueinsteiger reicht es, zunächst an die Basics eines Bühnenvortrags zu denken: Vorher mal üben, wie man die Höhe des Mikrofons auf den eigenen Mund einstellt und dann auch reinsprechen, statt sich zwei Meter davon entfernt hinzustellen. Damit ist schon viel gewonnen.

Christian Ritter nennt sich "Connaisseur der einfachen Bahnhofsküche", denn als Slammer ist man viel unterwegs. 2005 bis 2014 nahm der Diplom-Germanist an jeder ausgetragenen deutschen Poetry-Slam-Meisterschaft teil und erlangte 2009 den zweiten Platz. Heute veranstaltet und moderiert er selber Poetry Slams und ist Mitglied der Lesebühne "Zentralkomitee Deluxe" an seinem aktuellen Wohnort Berlin. Er veröffentlichte bereits mehrere Kurzgeschichtenbände und Romane. Sein neuestes Werk "Die korrekte Anordnung der Tiere im Zoo" ist im Unsichtbar Verlag erschienen. Auf Facebook hält er uns über sein Leben auf dem Laufenden.

Gute Geschichten lauern also überall – Sie müssen sie nur einfangen! Das richtige Arbeitszeug dafür finden Sie in unserem Geschäft in Leipzig: Bei uns gibt es diverse Schreibgeräte und Kladden, Skizzen- und Notizbücher. Der aktuelle Liebling von uns bei Mein RothStift ist zum Beispiel das Composition Buch von LEUCHTTURM1917. Mit seinem B5-Format lässt es sich überall hin mitnehmen und eignet sich auch richtig gut als Reisetagebuch. Das Softcover fühlt sich sehr angenehm an und ist in verschiedenen Farben erhältlich! Mit Seitenzahlen und Inhaltsverzeichnis können Sie Ihre Ideen und Geschichten gut strukturieren und in einer Falttasche lassen sich Notizzettel schnell einstecken. Wer weiß, vielleicht entsteht hier schon der nächste Poetry-Slam-Hit? Trauen Sie sich!

Ein Composition Notizbuch Blanko in türkis. Rechts daneben liegt ein silberner Bleistift.
Das Composition Notizbuch von LEUCHTTURM1917.